Im Winter 2014 fahre ich mit meinem silbergrauen SL Cabrio nach Amsterdam zu einem Geschäftsmeeting. Kurz vor Mitternacht komme ich an und parke direkt vor dem Eingang. Durch die breite Glastür sehe ich den Concierge, der gerade eine Familie mit zwei kleinen Kindern eincheckt. Das Mädchen weint. Als er mich sieht, lässt er alle stehen und stürzt zu mir raus. Er begrüßt mich „Good evening Mrs. Gordelik“ und sieht dabei nicht mich an, sondern mein Auto!
Dieser Moment hat mein Leben verändert
Ich bin da gerade 51 Jahre jung. Hab Karriere gemacht. Mir alles geleistet, was ich haben wollte und mir Lust bereitet hat. Ein Mercedes SL Cabrio, eine Jugendstilvilla mit Sauna und Art-Deco-Möbeln, Kunst, Designer-Klamotten, Schmuck. Nie habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob all das etwas mit mir zu tun hat. Oder ob andere denken, es hat etwas mit mir zu tun.
Bis zu diesem Abend in Amsterdam, als ein Concierge ein weinendes Mädchen wegen meines Autos stehen lässt. Mein Herz zog sich in diesem Moment zusammen. In einem Sekundenbruchteil zog mein Leben, meine Karriere vor meinem inneren Auge ab und ich fühlte mich auf seltsame Art einsam. Wer sieht mich hinter meinem Besitz? Wie sieht man mich? Sieht man mich überhaupt? Wie viel ist Iris von all dem?
Entrümpeln
Zwei Monate später brachte ich meinen SL zum Autohändler zurück. Auf Mallorca mietete ich mir eine 50-qm-Wohnung und pendelte 14-tägig. Wenn ich neue Freunde kennenlernte, erfuhr niemand, was ich in Deutschland arbeite. Ich wollte herausfinden, wer Iris für andere ist, ohne meinen „Background“.
Und für mich herausfinden, was ich davon vermisse.
In einer Frauenzeitschrift fand ich ein ganzseitiges Foto mit einem Text in Schnörkelschrift: „Was mich nicht glücklich macht, kann weg.“
Was mich
nicht
Glücklich macht
kann weg
Das hängt in einem hübschen Silberrahmen an der Wand in meinem kleinen Apartment auf Mallorca und ist mein wertvollstes Bild. Mittlerweile ist die 340-qm-Villa geräumt und vermietet. Alles, was drin war, ist über ebay Kleinanzeigen verkauft. Schmuck, Designerklamotten, all das brauche ich nicht. Nicht in meiner 50-qm-Wohnung, nicht wenn ich mit Rucksack und Laptop für die Wintermonate nach Panama oder Bali weiterziehe.
So lebe ich heute
Meine Firma führe ich nach wie vor weiter und nicht einen Deut weniger erfolgreich als die Jahre zuvor. Ich habe alles digitalisiert und lebe ein wenig wie ein Digital-Nomade. Im Sommer auf Mallorca, ab und an zu Terminen in Deutschland und im Winter ziehe ich weiter. Hauptsache dort, wo es warm ist. Leben und Arbeiten fließt heute ineinander. Mit mehr Freiraum für beides.
Bin ich ein anderer Mensch geworden? Ich selbst glaube nicht. Doch es war für mich eine wertvolle Erfahrung, dass ich nichts von all dem vermisse oder brauche. Das macht mich wirklich reich. Meine Freunde sagen, ich wäre gelassener geworden. Mein Freundeskreis ist insgesamt bunter und internationaler geworden. Mit viel mehr Menschen, die nichts mit meinem Beruf zu tun haben, und die meinen wirklich mich.
Was der Spruch „Alles, was du besitzt, besitzt auch dich“ auf sich hat, weiß ich heute.
Davon habe ich mich lachend befreit und meine Freiheit ist heute mein größtes Glück. Meine Freiheit hält mich jung, denn ich kann jede Woche, jeden Monat mein Leben neu verplanen. Ich fühle mich lebendiger als jemals zuvor.
Ab und an, besonders zu Weihnachten, überkommt mich der Impuls, eine schöne Deko zu kaufen. Dann überlege ich, wo die überhaupt Platz hätte. Nirgends. Ich lache das Teil an und denke: „Kann weg.“
Einfach machen
Wenn ich meine Geschichte erzähle, höre ich oft: „Du bist aber mutig.“ Ich denke, das hat nichts mit Mut zu tun. Eher Geiz. Geiz darin, die wertvollen vor mir liegenden Jahre für Dinge zu verschwenden, die ich für mein Glück nicht brauche. Und wenn Du Dir selbst die Frage nach „Was kann alles weg, was ich für mein Glück nicht brauche?“ beantwortet hast, dann folgt nur noch: einfach machen! Es ist wirklich einfacher, als man denkt.
Darum lassen Sie uns starten und uns gemeinsam inspirieren. Teilen Sie mit uns: worauf können Sie verzichten, was kann bei Ihnen weg?
4 Antworten
Liebe Iris, ich habe Dich einmal bei einem Seminar gehört und war beeindruckt! Was für eien Frau, was für ein Leben! Und schreiben kann sie auch noch.. ich bin zutiefst beeindruckt, wie Du Dein Leben führst und Deine Karriere gemacht hast. Ich folge Dir auf LinkedIn und freue mich auf weitere Blog-Beiträge von Dir! Liebe Grüße von Janna aus HH
Mir läuft es jedes Mal kalt den Rücken runter, wenn Menschen die Wahrheit aussprechen. Denn an der Wahrheit und der Realität ist nichts zu drehen, nichts zu beschönigen, nichts zu verwässern. Danke!
Und was Dich glücklich macht, kann auch weg, weil: alles verändert sich und Glück hat nichts mir äußeren Dingen zu tun, sondern findet innen statt. Egal was wir haben oder nicht haben, tun oder lassen.
Bin ich hier im Esoterik-Stübchen gelandet oder was?