Die Kinder sind aus dem Haus und nun auch noch der Mann oder die Frau. Plötzlich steht man alleine da und fragt sich: Soll es das gewesen sein? Bitte nicht! Eine neue Liebe muss her! Aber: Findet man die im Internet?
Sie waren sich schon sehr nah. Zwei Monate hatten Anke und Hans telefoniert. Zum Schluss fast täglich. Die Gespräche wurden immer vertrauter, intensiver. Kennengelernt hatten sich die Münsteranerin und der Düsseldorfer im Internet auf der Partnerbörse „Elite Partner – die Plattform für den anspruchsvollen Single“.
Ein halbes Jahr lang war die 53-Jährige da schon Mitglied gewesen. Mehrere Männer hatten ihr Profil besucht und sie angeschrieben, aber die Anke wollte keinen 79-jährigen pensionierten Studienrat und auch keinen auch noch so witzigen Psychologen, der sich auf dem Profilbild mit fettigen Haaren in seiner chaotischen Küche zeigte. Bei Hans war das anders. Er sah gepflegt aus auf den fünf Fotos, die er ins Netz setzte: Ein Informatiker, 59, sozial engagiert, literarisch interessiert, schlank, aktiv. Fünfmal die Woche mache er Sport, schrieb er.
Die Telefonate machten neugierig und von Mal zu Mal schlich sich eine Nähe ein, die nach mehr rief. Als er sie beim ersten Date am Bahnhof in Düsseldorf abholte, war das Erste, was sie sah, das, was sich unter seiner Lederjacke auffällig wölbte: sein voluminöser Bauch. Auch schienen die Fotos, die er auf der Internetplattform von sich zeigte, schon mindestens zehn Jahre alt zu sein. Sein Haar war jetzt viel lichter, grau und die Hängewangen machten ihn zu einem alten Mann.
Hoffnung auf neues Liebesglück
Man ging am Rhein spazieren. Anke blendete die Optik aus, fühlte sich wie ein junger Hüpfer, genoss die Aufmerksamkeit und Komplimente, die Hans ihr schenkte, und dachte sich: Vielleicht kann man in meinem Alter nicht mehr alles haben. So wurden Anke und Hans ein Paar. Aber je länger sie ihre Fernbeziehung pflegten, umso mehr fiel das aus Lügen gebaute Kartenhaus in sich zusammen. Der sozial und sportlich aktive Düsseldorfer entpuppte sich als Couch-Potato. Beruflich war aus dem engagierten Informatiker ein frustrierter aufs Abstellgleis abgeschobener Angestellter geworden und seine schicke Zwei-Zimmer-Wohnung, von der er immer schwärmte, war zur hässlichen Sozialwohnung mutiert.
Anke hätte das alles freundlich übersehen, wenn sich Hans nicht auch noch als gekränkter Narzisst herausgestellt hätte, der bei jeder Gelegenheit seinen Schmollmund rollte, die beleidigte Leberwurst spielte und tagelang nicht mit ihr sprach. Nach einem Dreivierteljahr hatte die Buchhändlerin genug. Als er ihr mal wieder die Beziehung aufkündigte, nahm sie ihn ernst und beendete auch ihrerseits die kurze Liaison.
Falsches Versprechen
„Was Anke da passiert ist, ist keine Seltenheit“, sagt Gabriele Pochhammer von der Partnervermittlung Hammer&Herz in Hamburg. Und das bestätigen auch viele Singles im reiferen Alter, die auf ein neues Liebesglück hoffen und sich bei einer der mittlerweile vielen Internet-Partnerbörsen anmelden. Ganz so einfach, wie in der Werbung versprochen, ist es nämlich nicht, hier Mister or Miss Right zu treffen. Obwohl die Gefahr groß ist, mit „Korrekturen“ des eigenen Aussehens und des Lebenslaufs aufzufliegen, versuchen es die „Kandidaten“ doch immer wieder. Viele vielleicht auch deshalb, weil bei ihnen im Alter die Fähigkeit nachgelassen hat, sich selbst realistisch einzuschätzen, und sich ein Bild seiner Selbst zementiert hat, das der Wirklichkeit nicht oder nicht mehr entspricht. Ein natürlicher Vorgang, weil sich das Selbstbild im Laufe des Lebens verfestigt, wie Psychologen wissen.
Nur: Internetplattformen können da nicht korrigierend eingreifen, weil jeder sich so präsentieren darf, wie er sich selbst eben sieht. Und dazu kommt noch: „Vor allem ältere Männer, die unbedingt eine junge, attraktive Frau an ihre Seite wollen, kommen gar nicht auf die Idee, dass die vielleicht auch lieber einen jungen, knackigen Mann als Partner hätten“, sagt Sabine (56) aus Hamburg, die schon seit drei Jahren nach einem neuen Lebenspartner Ausschau hält und immer wieder die Erfahrung macht, dass jüngere Männer sie auf Partys wie im Internet abblitzen lassen.
Gabriele Pochhammer von der Partnervermittlung Hammer&Herz in Hamburg versucht, die Erwartungen beider Suchenden realistisch zusammenzubringen: „Dazu gehört, dass ich erst einmal ein langes Interview mit den ‚Kandidaten‘ führe.“ Ihre Erfahrung ist: „Frauen wissen schon ziemlich genau, was sie wollen.“ Und dazu gehört auch: „Die meisten in dem Alter suchen keine älteren Männer.“
Erotik spielt immer noch eine Rolle
Frauen wie Männer wollen auch jenseits der 50 nochmal die große Liebe finden, eine schöne Lebensgemeinschaft auf Augenhöhe genießen. Und dabei spielt Erotik auf jeden Fall auch eine Rolle. Eigentlich sind für die Liebe im letzten Drittel des Lebens gute Voraussetzungen vorhanden: „Frauen wie Männer sind finanziell unabhängig und durchaus umzugswillig, wenn der oder die neue Partner:in nicht in derselben Stadt wohnt“, weiß die Hamburger Partnervermittlerin. Allerdings sind die Erwartungen gestiegen: an ein gepflegtes Äußeres, Vitalität und geistige Beweglichkeit. Männer muss sie in ihrer Beratung auch schon mal Anziehtipps geben. „Und Frauen haben manchmal tatsächlich das Flirten verlernt.“ Was zu ihrer Beratung dazugehört: Ein langes Exposé zur und zum jeweiligen Kanditaten:in zu erstellen und für die Fotos wird ein professioneller Fotografen engagiert. „Es ist schon manchmal erstaunlich, mit welchen Profilbildern hier einige Frauen oder Männer ankommen.“ Übrigens: Ihre älteste Kandidatin ist 85. Der Wunsch nach einer erfüllten Liebe erlischt halt nie.
Wie datest Du – online, per Partnervermittlung oder im „echten“ Leben?
4 Antworten
Hallo, ich heisse Heinrich und ich bin dement. Ich habe im realen leben keine Chance eine Partnerin kennen zu lernen oder eine Beziehung zu führen. Das möchte ich in meinem Alter (der Gentleman geniesst und verschweigt die genaue Zahl) auch gar nicht (mehr) und mir meiner Krankheit ist das sowieso schwierig. Ich geniesse es aber sehr online zu daten, was in meinem Fall per chatten abläuft. Hier kann ich selbst auswählen, wann ich chatte (nämlich wenn ich einen guten Tag habe) und außerdem kann ich in den Nachrichten zurück scrollen und nochmal nachlesen was meine Chatpartnerin geschrieben hatte (wenn ich es vergessen hatte). Ich komme nie in Verlegenheit, Und fühle mich dennoch gemocht, Das hilft mir sehr. Ich bin dankbar, dass das Internet uns Alten solche Möglichkeiten bietet. Freundliche Grüße, Heinrich Haase
Ich bin jetzt 67 und ich hatte letzte Woche mein Coming Out.
Also ich persönlich halte gar nichts von diesen Partnervermittlungen oder Online-Agenturen. Ich habe meine bisherigen Partner immer im echten Leben kennen gelernt und vertraue da auf Glück und Zufall. Mein letzter Partner war z.B. der Wartende in der Supermarkt-Schlange vor mir, dem ich mit meinem Einkaufswagen (unbeabsichtigt!) in die Hacken gefahren war 🙂
Ich denke, wenn man jemanden “in echt” vor sich hat, hat man innerhalb weniger Sekunden ein Gefühl, ob das was sein könnte oder nicht – während bei diesem anonymen Online Dating, da stellt sich jeder von der Schokoladenseite dar und man investiert unendlich Zeit, mit jemandem hin und her zu schreiben und beim realen Treffen stellt man fest, dass die Profilbilder wohl mindestens 20 Jahre alt gewesen sein mussten. Oder halt so wie ihr in dem Artikel beschreibt. Also deswegen meine persönliche Meinung: das ECHTE Leben hält so viel bereit, ganz sicher auch den Traumpartner!
Also ich date am Liebsten Online und ich verstehe einfach nicht die Leute, die sich Profile anlegen ohne Foto. Erwarten die wirklich, dass ihnen jemand schreibt?!?