Die Rente genießen auch mit wenig Geld

Was wir uns vom Minimalismus abgucken können
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Quelle: Shutterstock, Billion Photos

Erinnerst Du Dich an die Zeit Deiner Ausbildung, Deines Studiums oder Deines allerersten Jobs? Wie Du in der WG oder ersten kleinen Wohnung auf einem aus einer alten Weinkiste umfunktionierten Hocker gesessen und Dich von Toast und Marmelade ernährt hast, weil der Kühlschrank mal wieder Flaute zeigte? Und weißt Du noch, wie Deine Freunde vorbeischneiten, ihr für den neuen Blockbuster aus der Videothek zusammenschmisst und einen herrlich lustigen Abend miteinander hattet?

Damals waren wir – wenn auch unbewusst und notgedrungen – Minimalisten.

Quelle: Shutterstock, View Apart

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Der Minimalismus, auch als Downshifting oder LOVOS (Abkürzung für: lifestyle of voluntary simplicity) bekannt, versteht sich als Gegenentwurf zum Kapitalismus und der überbordenden Konsumwelt, in der wir heute leben. Anhänger dieses Lifestyles reduzieren eigene Besitztümer ganz bewusst auf ein Minimum und leben ein „einfaches Leben“, sparsam und simpel.

Klingt nach Verzicht und Einschränkung?

 Ist es nicht, weiß Olga Jakubczek, die seit knapp fünf Jahren minimalistisch lebt.
„Ich bin zum Minimalismus gekommen, weil ich eine Sinnkrise hatte. Mein Arbeitgeber schloss meine Abteilung und stellte mich vor die Wahl ‚anderes Aufgabenfeld‘ oder ‚Abfindung‘. Ich nahm das Geld. Und hockte plötzlich zuhause und dachte: Was nun? Im Kern stieß ich auf die Frage: Was brauche ich eigentlich, um glücklich zu sein? Und genau das beschreibt den zentralen Gedanken des Minimalismus.“

Denn Minimalismus bedeutet die Erkenntnis, dass Konsum und uns mit materiellen Dingen zu umgeben, nicht glücklich machen, bedeutet Konzentration auf das Wesentliche, mehr Einfachheit und Freude am Leben sowie eine große Freiheit, denn Glück in Dingen zu finden, die wenig Geld kosten, kann jeder – ob große oder kleine Geldbörse.

Olga startete ihre minimalistische Reise mit einem gründlichen Ausmisten.

Sie erinnert sich:

„Ich stellte meine komplette Wohnung auf den Kopf, erstmal alles weg, was ich nicht brauchte. Und das wurde zu meiner eigenen Überraschung immer mehr: Ich bemerkte, dass ich mein Auto super gegen ein Fahrrad eintauschen konnte und zog am Ende sogar um – von groß nach klein. Mit dem Nebeneffekt, dass ich nun wesentlich weniger Geld für meinen Lebensunterhalt benötige.“
Die Stimme der 52-Jährigen klingt besonnen, um die Augen hat sie Lachfältchen.

Quelle: Shutterstock, Kostikova Natalia

„Heute besitze ich weniger Materielles, aber habe dafür wesentlich mehr Zeit. Und die gestalte ich mit Erlebnissen. Ich gehe Hobbys nach oder schaue regelmäßig im Internet, was es in meiner Stadt für kostenlose Kulturveranstaltungen gibt. Da kann man echt staunen, wie umfangreich die sind! Und ich treffe mich häufig mit anderen Menschen, oft sitzen wir einfach nur zusammen im Park, genießen die Sonne, sehen unseren Hunden beim Spielen auf der Wiese zu und klönen.“

Damit sind wir wieder bei dem Marmeladenbrot auf der alten Weinkiste umringt von Freunden vor einem netten Film.
„Wir hatten ja nichts“, aber erinnerst Du Dich, wie glücklich wir waren?
Genau wie heute Minimalisten freiwillig haben wir unsere Lebensfreude damals aus Dingen geschöpft, die nicht viel Geld gekostet haben, z. B. sozialen Beziehungen, gemeinsamen Aktivitäten, Kultur, Kreativität.
Ist es nicht spannend, den weit verbreiteten gesellschaftlichen (Irr-?)Glauben zu hinterfragen, nur mit Geld lasse sich ein glückliches Leben führen?
Selbstverständlich möchte ich nicht zynisch sein oder jemanden verletzen: Wenn Du heute so wenig Rente in der Geldbörse hast, dass es kaum für das Marmeladenbrot reicht, ist Unbeschwertheit und Genuss sicher eine Herausforderung.

Dennoch möchte ich den Versuch unternehmen, Dir die zwei Grundpfeiler des Minimalismus als Inspiration mit auf den Weg zu geben – vielleicht lässt sich Dein Leben dadurch ein kleines bisschen freier oder glücklicher gestalten.

Quelle: Shutterstock, Robert Kneschke

Schritt 1: Ausmisten und Loslassen

Bei Minimalisten vielfach zitiert ist eine alte Weisheit der Nomadenvölker: „Hast Du viel, hast Du viel Gepäck.“
Und das kann im übertragenen Sinne verstanden werden: Denn Dinge auszumisten schafft nicht nur mehr Platz und Ordnung im Schrank, sondern lüftet auch Herz und Seele und kann innerlich leichter und freier machen.
Beim Ausmisten haben wir einiges zu tun, besitzt der durchschnittliche Europäer nämlich im Schnitt 10.000 Dinge. Als Vergleich: Hardcore-Minimalisten geben an mit 100 Dingen auszukommen. Eine gute Balance liegt sicher irgendwo dazwischen.

Doch ausmisten – wie geht das?
Vielleicht kann ich dieses Schraubenzieher-Set, das ich so günstig geschossen hatte, ja doch irgendwann mal gebrauchen …?!?
Die Antwort ist: nein. Es liegt seit 5 Jahren ungenutzt im Schrank und Ausmist-Experten sagen: „Was Du ein ganzes Jahr weder benutzt noch vermisst hast, kann weg!“
Allerdings fällt es uns älteren Jahrgängen, die oftmals auch knappe Zeiten miterlebt haben, vielfach schwer, uns von Dingen zu trennen.

Dabei helfen kann die KonMari-Methode, die auch als „Magic Cleaning“ bekannt ist. Dabei nimmt man sich einen bestimmten Bereich vor, den man ausmisten möchte, z. B. den Schrank, und räumt ihn komplett aus. Dann schaut man sich jedes Teil ganz bewusst an und beantwortet die Frage: „Macht mich dieses Stück jetzt (in diesem Moment und nicht später) glücklich?“
Lautet die Antwort „Ja“, kommt es zurück an seinen Platz, ein „Nein“ heißt: weg damit.
Und weg heißt nicht „wegwerfen“, wir können Dinge verkaufen, spenden oder verschenken.

Marie Kondo, Quelle: Tinseltown

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Marie Kondō ist eine japanische Bestsellerautorin, das Time Magazin zählte sie zu den 100 einflussreichsten Frauen weltweit. All ihre Werke widmen sich dem Aufräumen und Ausmisten, ihr bekanntestes Buch heißt „Magic Cleaning“. Im Englischen wurde ihr Nachname zum Verb „to kondo“, das soviel wie „ausmisten“ bedeutet.

Quelle: Fida Olga

Schritt 2: Does it spark joy? Erlebnisse statt Besitz

Die elementare Frage: „Macht mich das glücklich, erfüllt es mich, brauche ich das wirklich?“ wird fortan bei allem angewendet, das wir uns neu anschaffen wollen. So sichern wir ab, dass wir nach dem Ausmisten nicht gleich wieder anfangen, Dinge zu horten.
Die Methode kann jedoch über das Materielle hinaus auf alle Bereiche des Lebens übertragen werden. Wir können uns zum Beispiel fragen: „Bin ich in dieser Freundschaft noch glücklich oder gehört sie ‚ausgemistet?‘“ oder „Erfüllt mich dieser Job eigentlich weiterhin oder ist es an der Zeit für etwas Neues, vielleicht sogar für etwas Kleineres, wo ich zwar weniger Geld, dafür aber mehr Zeit habe?“

Olga hat für sich herausgefunden: „Es sind Erlebnisse, die mich erfüllen, Momente, die kein oder wenig Geld kosten und an die ich mich auch nach einem Monat noch freudvoll erinnern kann. Neulich bin ich mit einer Freundin spontan Enten füttern gegangen, das habe ich seit meiner Kindheit nicht getan und es war so niedlich, wie die kleinen Viecher ihren Hintern in die Luft recken, wenn sie tauchen. Ich backe selbst Brot und weil ich allein lebe, schenke ich die Hälfte immer der Nachbarin, belohnt werde ich mit einem Plausch.“

Buchempfehlung: Marie Kondo, „Magic Cleaning – Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert“

Fotoquelle: rororo Verlag

Tipp:

Bei Online Plattformen für Gebrauchtes bekommst Du das (gebrauchte) Buch für oft nur ¼ des regulären Verkaufspreises.
Hier einige der Bekanntesten:
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Wie ist das bei Dir: aus welchen Dingen, die vielleicht nicht viel Geld kosten, ziehst Du Kraft und Freude?

4 Antworten

  1. Also ich finde, wenn man in Rente geht, hört man nicht einfach auf zu leben. Man verbringt mehr Zeit mit seinen Hobbys und das kostet Geld. Jedenfalls bei mir. Kommt wahrscheinlch darauf an, welchem Hobby man so nachgeht, aber meines ist Motorradfahren. Am Liebsten ausserhalb Deutschlands auf tollen Touren. Das kostet. Un dich kann mir nicht vorstellen darauf zu verzichten.

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