Ich möchte heute auf ein Interview eingehen, das bei uns veröffentlicht wurde und mich sehr beeindruckt hat.
Im Artikel „W (69) UND M (57) ÜBER IHRE LUST IM ALTER“ sprach Erik (57) offen und ehrlich über seine Erektionsstörung. Das fand ich sehr mutig und bewundernswert von ihm. Besonders spannend fand ich seine Erkenntnis, unter unbewusstem Leistungsdruck zu stehen und seinen „Mann stehen zu müssen“. Diese Einsicht hat mich nachdenklich gemacht, ich habe viele Abende darüber sinniert.
Und als Ergebnis plädiere ich hiermit gegen jeglichen Leistungsdruck. Das ist natürlich einfach gesagt in einer westlich sozialisierten Gesellschaft, in der wir schon als Kinder für Leistung belohnt und Nichtleistung bestraft werden. Ich bin jedoch überzeugt, dass der Druck, etwas leisten zu müssen, „gut (genug)“ zu sein, die Wurzel aller Tabuthemen ist, der Grund, sich zu schämen, über seine Probleme zu schweigen, sich damit allein zu fühlen und keine Lösung zu finden. Und das trifft nicht nur auf Erektionsstörung zu. In Deutschland gelten heute leider immer noch als Tabuthemen: Tod, finanzielle Fragen, Kinderlosigkeit, Süchte, Analphabetismus, häusliche Gewalt oder Fragen der Gesundheit, z. B. Blasenschwäche oder Depressionen.
Wir als Gesellschaft sind gefordert, ein vertrauensvolles Umfeld zu kreieren, in dem alle Menschen sich sicher fühlen, auch über unangenehme Themen zu sprechen. Und in meinen Augen ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, das Konzept „Leistung“ sehr kritisch zu hinterfragen und in vielen Bereichen abzuschaffen. Denn Leistung können wir spielerisch auf dem Fussballfeld bringen, aber bitte nicht im Bett oder in persönlichen Bereichen.