Neulich hörte ich den in New York lebenden Designer Stefan Sagmeister in einem Interview sagen: „Ich glaube, dass die Evolution uns mit Absicht so gestaltet hat, dass wir mit zunehmendem Alter weniger Ideen haben!“, und dass dieser Prozess ab einem Alter von 30 Jahren beginnen würde.
Nachgedacht: Ist das wirklich wahr?
Bin ich, die ich mich jenseits der Dreißig befinde, tatsächlich fantasielos geworden, habe ich keine Inspirationen mehr? Ich empfinde es nicht so. Ständig habe ich neue Einfälle, die von der großen Business-Idee („Man müsste einen durchsichtigen Staubsauger-Schlauch erfinden, um die Verstopfung leichter lokalisieren zu können“) bis hin zur privaten Gestaltung („Ich hätte Lust, einen Nähkurs zu machen“) reichen.
Im Laufe der Jahre hat sich jedoch tatsächlich etwas Grundlegendes verändert: Meine Ideen bleiben in der Ecke liegen und fristen ein staubiges Dasein in den Tiefen meines Hinterköpfchen.
Ideen habe ich immer noch, aber wieso setze ich sie nicht um?
Wenn ich darüber nachdenke, merke ich, dass ich nicht einfallsloser geworden bin, dafür aber weniger Umsetzungskraft zur Verfügung habe, wahrscheinlich bin ich auch bequemer geworden. So fühlt es sich jedenfalls an, wenn ich an die Jahre vor der Zahl dreißig denke. Da sprudelte ich nicht nur über vor Ideen, sondern preschte einfach los und machte. Probierte aus, frickelte mich rein, verwarf, hatte Erfolg, scheiterte und machte was Neues. Was war damals anders? Sicher, ich war körperlich etwas fitter. Aber das ist nur ein kleiner Aspekt. Irgendwie fühlte ich mich anders, mir stand die Welt offen, ich hatte das Gefühl, alles ausprobieren zu können, und mit großen neugierigen Augen blickte ich in meine endlos lange Zukunft.
Und heute? Heute ist meine Zukunft geschrumpft, berechenbarer geworden, ich jongliere eine Armada von Verpflichtungen um mich herum, habe gefühlt nie Zeit, bin oft erschöpft und habe ich dann mal wieder eine (verrückte) Idee, flüstert mein Verstand: „Willst du das wirklich machen? Teil dir deine Ressourcen ein!“, und hält mir eine tickende Uhr ans Ohr, die mich daran erinnert, dass ich die mir verbleibende schrumpfende Lebenszeit nicht für Hirngespinste verschwenden sollte.
Sind es wirklich die Ideen, die ausgehen –, oder ist es etwas anderes?
Ich denke, Herr Sagmeister hat Recht, dass mit zunehmendem Alter etwas schwindet. Doch in meinen Augen sind es nicht die Ideen, sondern der Mut (und vielleicht auch die Prise Naivität), sich ins Unbekannte zu wagen. Als ich jung war, hatte ich nicht viel zu verlieren – da ist es natürlich leichter, mutig zu sein. Heute sitze ich in meiner Komfortzone, die mich auf der einen Seite weich bettet, auf der anderen aber ganz schön fest bindet.
Hm. Und nun? Geht es Dir auch so? Hast Du eine Idee, wie wir da rauskommen?

Wie schaffe ich es, meine Ideen umzusetzen?
Vielleicht ist ein Weg, wieder zielloser zu werden. Ich ertappe mich häufig dabei, meine Ideen rational zu hinterfragen: Warum willst du das machen? Was soll dabei herauskommen? Das habe ich als junger Mensch nie gefragt. Mein reiferes Ich jedoch kommt mit einem gewissen Erfolgsdruck um die Ecke. Denn „Wir haben doch keine Zeit!“ und „Wenn du schon was Neues anfängst, dann bitte auch ordentlich!“. Vielleicht sollte ich mir mehr gestatten Sachen einfach anzupacken, auszuprobieren und sie – genau wir früher – gedanken- und gewissenlos wieder liegen zu lassen, sobald mir die Lust, Zeit oder Kraft ausgeht.
Vielleicht ist ein weiterer Weg, sich Unterstützung zu suchen, Dinge gemeinsam anzupacken. Auch das war als junger Mensch selbstverständlich, die Kumpels und Freundinnen wurden aktiviert und man hat gemeinsam das Wandbild aus Holz als Geburtstagsgeschenk für den Bruder zusammengezimmert – dabei wurde geklönt, gelacht, getrunken und gealbert.
Heute erlebe ich mich immer mehr als Eigenbrötlerin, wenn es um meine Ideen geht. Ich übertrage sie von einer To-do-Liste in die nächste und will sie „irgendwann mal umsetzen …“, aber allein ist man zum einen schnell überfordert und manchmal fehlt auch der nötige Aufschwung. Vielleicht sollte ich wieder mehr meine Freunde einbeziehen, gemeinsam Dinge umsetzen und mit Gelassenheit reagieren, wenn aus der Idee, einen innovativen Staubsauger zu erfinden, dann doch einfach „nur“ ein netter Abend mit viel Gelächter wird.
Was meinst Du? Hast Du auch verrückte kreative Einfälle?
2 Antworten
Ich hatte auch schon in jungen Jahren immer viele Ideen und habe exakt keine davon umgesetzt.
Sehr inspirierender Artikel mit flotter Schreibe. Mag ich.